Die Mäuseflüsterin

Tante Gertrud ist für ihre Tierliebe nicht nur berühmt, sondern manchmal auch berüchtigt.
Es gibt ja Urlaubsländer, wo viele Hunde und Katzen frei und verwahrlost herum laufen. Wie gut, wenn Tante Gertrud da Urlaub macht, noch besser wenn in der von ihr auserwählten Unterkunft ein reichhaltiges Büfett angeboten wird. Nicht, dass sie sich so richtig den Bauch voll schlagen will. Aber fleischhaltige Teile des Angebotes wandern dann wie von Zauberhand in ihre Tasche, damit einige der Vierbeiner versorgt werden können.

Auf dem Campingplatz ist sie bekannt und beliebt. Sobald sie Gelegenheit dazu hat, werden evtl. aufgestellte Wespen- und Schneckenfallen entleert, was ihr von nicht allen Menschen nur Sympathien einbringt.

Ein Erlebnis der besonderen Art ist es auch, mit ihr im Freien essen zu gehen. Kommen Wespen und die meisten Frauen springen hysterisch schreiend auf, die Männer sagen: „Nicht danach schlagen, ruhig bleiben“ kommt von Tante Gertrud: „Nicht fangen, nicht töten!“. Sie macht dann ein Tellerchen für die Wespen zurecht, stellt das abseits und versucht die Insekten zu überzeugen, dorthin zu gehen, bzw. zu fliegen. Die Blicke der anderen Gäste und des gastronomischen Personals ersetzen jeden Kinobesuch.

Neulich war Tante Gertrud bei uns zum Grillen eingeladen. Nachdem sie unauffällig kontrolliert hatte, ob Hundenapf und Vogeltränke auch ausreichend Frischwasser enthielten, setzte sie sich zu uns. Ich konstatierte erleichtert, dass sich keine Insekten in der Nähe befanden, die auf Rettung warteten und wir wollten gerade zum gemütlichen Teil übergehen, als unsere Katze kam.

Schwanz in die Höhe gereckt, stolz wie Oskar und eine Maus in ihrem Mäulchen. Eine noch lebende Maus. Tante Gertrud schoss auf die erschrockene Katze zu wie eine Fernlenkrakete. „Die arme Maus – das kann ich ja gar nicht sehen!“ Als gutes Zureden: „Komm, sei eine liebe Katze und gib mir das Mäuschen!“ nicht fruchtete, kam Phase 2. „Kann ich ihr ein Würstchen geben?“
Konnte sie gern probieren, aber unsere Katze frisst keine Würstchen. Auch das eigentlich auf Hunde ausgerichtete Spiel – Leckerchen werfen und die Katze motivieren: „Such! Hol das Leckerchen!“ brachte nicht den gewünschten Erfolg.

Es folgte der Nahkampf, Zwangskuscheln mit dem Stubentiger und auf den Arm nehmen. Jetzt musste sie die Maus los lassen. Die Katze mautschte und versuchte zu entkommen, was völlig sinnlos war.
Der kleine Nager lief davon und Tante Gertrud war zufrieden.
Mein Mann erzählte was von „das ist eben die Natur“, während ich vor Lachen Erstickungsanfälle bekam.

Eure Sylvia

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