Mit meinen Kindern hatte ich von klein auf die Absprache, dass sie ihre Freunde mit nach Hause bringen durften. Dass unsere Wohnung mitunter Bahnhofscharakter hatte, die Getränke schneller dahin schmolzen, als der Schnee in der Sonne und mir öfter der Durchblick fehlte, wer nun gerade kam und ging, störte keinen wirklich.Dann begann meine Älteste sich für das andere Geschlecht zu interessieren. Die erste große Liebe kam und ging. Er folgten Kumpels, Freunde und Bekannte. Schließlich, da war Sara 17 Jahre jung, schwärmte sie von ihrem neuen Traumtypen. Das mütterliche Interesse erwachte.
„Wie alt ist er denn?" „Naja, ich glaube 20."
„Und was macht er? Lehre, Schule, Studium?" „Äh, im Moment gar nichts, glaube ich."
Na wunderbar, als ich noch mehr wissen wollte, bekam ich die Auskunft, dass man schließlich niemanden so ausfragen könne, aber ich würde ihn bald kennen lernen.
Kurz darauf schlich dieser junge Mann, Moritz hieß er, bei uns durch den Flur. Unsere Konversation beschränkte sich auf „Tach" und „Tschüß". Meinen Kaffee wollte er nicht, Tee schon gar nicht und und was anderes erst recht nicht. Da kann man halt nichts machen und legt das Ganze als bescheiden aus.
Wenig später kamen wir uns dann näher. Ich hatte noch einmal Nachwuchs bekommen und war mit dem Kinderwagen im Bus unterwegs, wo ich Sara und Moritz traf. Als wir gemeinsam ausstiegen, beäugte Moritz interessiert, wie man es alleine schafft, den Kinderwagen aus dem die Stufen hinunter zu bugsieren, ohne dass jemand ernsthaft verletzt wird. Die gleiche Zeremonie folgte die halbe Treppe hinauf, die zu unserer Wohnung führte. Die schwere Tasche mit den Schulsachen hatte er meiner Tochter natürlich auch nicht abgenommen, man(n) ist ja schließlich emanzipiert.
Bis auf ein bedeutungsvolles "Hmh" oder ein ergiebiges „ja" oder „nein" konnte ich ihm nichts entlocken. Nun gut, ich kann zur Not auch für zwei reden, aber so ganz ohne Resonanz macht das auch keinen Spaß. Insgeheim bekam er den Spitznamen „Schlaftablette" von mir.
Sara hätte sich in dieser Zeit für ihren Traummann vierteilen lassen, aber bekanntlich wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird und inzwischen können wir beide darüber lachen. Dies als kleiner Trost für alle Mütter, deren Kinder sich gerade in der Pubertät befinden. Das beste Mittel ist ruhig zu bleiben und abzuwarten, bis es vorbei geht – was natürlich immer leichter gesagt als getan ist. Aber meist könnte es noch schlimmer kommen!
Eure Sylvia