Im Prinzip gehe ich gern einkaufen, oh sorry shoppen :-))
Nach netten Dingen Ausschau zu halten, sich durch Klamotten zu wühlen oder schöne Kleinigkeiten zu kaufen, um anderen eine Freude zu machen, macht schon Spaß. Nicht so der Wocheneinkauf an Lebensmitteln und allem, was im Haushalt so gebraucht wird.
Schon beim Holen der Einkaufswagen kann man froh sein, wenn man ohne Blessuren davon kommt. Im Markt selbst dann hört man zuerst Kinder, die die wirkungsvoll platzierten Süßigkeiten haben wollen, Mütter die entnervt dem entgegen wirken. Oder Pärchen, die vor der Fleischtheke diskutieren, was es denn zu essen geben soll. Er will ein deftiges Eisbein, sie magere Hühnerbrust. Um den Mittelweg zu finden, halten die beiden den ganzen Laden auf und ich gehe nur innerlich kopfschüttelnd vorbei.
Endlich gelange ich zum Kühlregal, nachdem eine ältere Dame mir ihren Einkaufswagen in die Hacken gerammt hat. Mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht versuche ich den richtigen Käse zu finden. Neben mir ein Herr, etwas strubbeliges graues Haar und Brille. "Das kann doch nicht wahr sein", erzählt er und beugt sich weiter in die Kühlung. "Hah", denke ich, "der sucht den gleichen Käse wie ich und findet ihn auch nicht!"
Während er tiefer in die Käsewelt eintaucht: "Nee, das sehe ich überhaupt nicht ein, das kann der doch nicht machen!"
Wie jetzt? Nimmt er das persönlich oder meint er, dass so ein Harzer kommunikativ ist?
"So ein Mistkerl, den werde ich mir vorknöpfen!" tönt es neben mir. Mittlerweile fang ich an, mir ernsthaft Sorgen zu machen. Vorrangig um das Wohl von mir und den anderen Kunden. Nachrangig um den Herrn. Eigentlich sieht der völlig normal aus, sogar recht nett und vertrauenswürdig. Er ist immer noch mit Kopf und Oberkörper im Kühlregal. Vielleicht will er sich abkühlen?
Eigentlich will ich weitergehen, aber wenn niemand mehr Zivilcourage beweist und jeder wegschaut, wird unsere Welt ja auch nicht besser. Er wird laut: "Schatz, wenn der mir über den Weg läuft, kann er was erleben!" Uppss, er sagt zum Gouda "Schatz" und scheint irgend etwas zu planen. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt, an dem ich die Augen nicht mehr verschliessen kann und entscheide, die Security, die im Markt unterwegs ist, zu alarmieren. Soll ich schon anfangen, unauffällig Frauen und Kinder zu evakuieren?
In dem Moment dreht sich der Herr, anscheinend, weil er sich beobachtet fühlt, zu mir um. Mir stockt der Atem. Langsam richtet er sich auf (meine Güte, der ist ja viel größer und breiter, als ich dachte) und schaut mich an……….
Er lächelt, was den Beweis zu erbringen scheint, dass er vollkommen irre ist. Sieht mich mir seinen strahlend blauen Augen an und meint: "Schatz, ich muss jetzt Schluß machen!" Nein, nicht, ich hänge doch eigentlich am Leben.
In diesem Moment entdecke ich sein Headset und muss mir beschämt eingestehen, dass dieser nette, sympathische Mann nur telefoniert hat!
Eure Sylvia