Irgendwann kommt im Leben eines Menschen der Punkt, wo er sich sagt „Du brauchst einen Führerschein." So war es natürlich auch bei mir. Ich hatte zuvor (so unwahrscheinlich es klingen mag) noch nie hinter dem Steuer eines Autos gesessen und kannte Kupplung, Gas und Bremse nur aus der Theorie.Nach den mühsamen ersten Fahrstunden durfte ich mein Können dann auch auf mehr befahrenen Straßen ausprobieren. Die Lieblingssprüche meines Fahrlehrers waren „Erst gurten und dann gurken" und „Nun gucken Sie doch nicht so konsterniert", was natürlich wahnsinnig aufbauend war. Leider hatte er auch des Öfteren seine Stimme nicht unter Kontrolle und wurde dann ziemlich laut. So auch an dem Tag, als ich einen vierspurigen Kreisverkehr fahren durfte.
Als ich einen Fehler beging, brüllte er mich mal wieder an.
Kurzerhand bremste ich mitten auf der Straße, trat ordnungsgemäß die Kupplung, schaltete die Zündung aus und drückte dem verdutzten Fahrlehrer den Schlüssel in die Hand. Dann nahm ich meine Tasche, stieg aus, wünschte ihm noch einen schönen Tag und ignorierte das erboste Hupen um mich herum. Das war dann das Ende einer wunderbaren Beziehung.
Mein nächster Fahrlehrer war entschieden angenehmer, allerdings war der Fahrschulwagen ein Käfer Cabrio. Wunderschön, dass wir, da es Sommer war, mit herunter gefaltetem Verdeck fuhren. Allerdings hatte das den Nachteil, dass ich nach hinten gar nichts überblicken konnte und die Fahrstunden auf einem Kissen absolvieren musste.
Irgendwann kam dann der Tag der Prüfung. Die Theorie hatte ich mit null Fehlerpunkten bestanden und ging mit weichen Knien zur praktischen Prüfung. Übel war mir sowieso, da ich im dritten Monat schwanger war. Der Prüfer zog das ganze Programm durch, Drei-Punkt-Wendung, rückwärts einparken, der nette Versuch „bei der nächsten Gelegenheit rechts abbiegen" und in die nächste Straße darf nicht eingefahren werden und einiges mehr.
Nach endlosen 40 Minuten durfte ich gegenüber von der Prüfstelle nochmals rückwärts einparken, was auch einigermaßen gut klappte. Dann kam von hinten: "Ich denke mal, dass ich Ihnen den Führerschein ausstellen kann."Voller Freude drehte ich mich zu dem Prüfer um, um mich zu bedanken.Es wäre zu schön gewesen, denn leider vergaß ich, dass der Motor noch lief und nahm den Fuß von der Kupplung, woraufhin der Wagen einen Satz machte und mein Fahrlehrer sein Bremspedal betätigen musste. Prüfung nicht bestanden!
Nun denn, das kam ja in den besten Familien vor und Frauen sind schließlich erwiesener Maßen die besseren Autofahrer und haben weniger Unfälle als Männer. Drei Monate später trat ich erneut zur Prüfung an und sah mittlerweile aus, wie kurz vor der Entbindung. Diese Prüfung war erstaunlich kurz und ich hatte hinterher den Verdacht, dass der Prüfer mehr Angst hatte, Hebamme spielen zu müssen, als ich, die Prüfung nicht zu bestehen.
Inzwischen habe ich mit meinem Führerschein das 30jährige Bestehen gefeiert, wobei ich gestehen muss, dass ich ein Klischee völlig bediene: Ich kann bis heute nicht zügig und gut einparken und freue mich immer, wenn ich einen großen Parkplatz finde!
Eure Sylvia