Jahrelang habe ich mich über unser verwahrlostes Nachbargrundstück aufgeregt. Es glich einem Dschungel. Wir hatten immer wieder Pflanzen im Garten, die wir vorher nie gesehen hatten und dankbar empfingen wir so den Giersch in unseren Beeten.
Die Bäume hatten eine Höhe erreicht, die keine Sonne mehr zu uns ließ und so konnten wir den Sonnenschirm sparen und statt Rasen breitete sich Moos aus. Was habe ich geschimpft über diese Situation, aber ich schwöre (!), hätte ich gewusst, was in diesem Jahr auf mich zukommen würde, ich wäre ruhig und dankbar gewesen.
Die Gerüchteküche in der Nachbarschaft verkündete, dass eben dieses Grundstück bebaut werden soll, aber wer gibt schon was auf das Gerede der anderen? Doch wie heißt es so schön: „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer!“. Aus eigener Erfahrung kann ich jetzt bestätigen, dass da etwas Wahres dran ist. Das erkannte ich, als am Montag Bagger anfingen, das Grundstück zu erobern. Zuerst wurde die Wiese abgetragen, was ja logisch ist, wenn gebaut werden soll.
Zwei Tage später ging es den Bäumen ans Leben. Nein, es gab nicht mal eine spannende Fällaktion, sondern sie wurden von der Baggerschaufel schlicht und ergreifend umgeschubst.
Mittlerweile war schon das Ordnungsamt da, aber was nützt das noch? Weg ist weg. Das bringt auch keinen Baum zuück.
Jetzt haben wir den unerhörten Vorteil, dass wir zwar Sonne im Garten haben, aber jeder Passant auf der Straße sehen kann, was wir gerade grillen. Nette Zurufe sind an der Tagesordnung. „Na, schmeckt´s?“ oder „Biste wieder fleissig?“ So überlegen wir jetzt, welcher Sichtschutz sinnvoll ist; Hecke; Holz, Bambus oder Plastik?.
Allerdings, ist ein Sichtschutz im Moment wirklich sinnvoll? Von 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr können wir eh nicht im Garten sitzen, es sei denn mit Ohrenstöpseln und einer Staubschutzmaske. Und die Abende verbringe ich damit, Pflanzen und Möbel von der Staubschicht zu befreien.
Zum Glück gibt es ja noch die Wochenenden. Aber aus was für Gründen auch immer wurde als aktueller Schritt der Verwüstungsarbeiten genau vor uns ein etwa 2 Meter hoher Hügel aufgeschüttet. Damit hat sich zwar das Thema Sichtschutz kurzfristig erledigt, aber idyllisch ist das gerade auch nicht.
Aber ich will ja nicht jammern, das Ganze hat natürlich auch seine guten Seiten:
Vielleicht werde ich ja Hausfrau des Jahres, weil ich jede Woche mindestens einmal meine Fenster putze. Oder ich gründe ein florierendes Gewerbe: Mittagstisch für Bauarbeiter. Vielleicht mache ich auch ein Baustellen-Event für Kids. Gegen einen kleinen Obolus vermiete ich meine Fensterplätze, damit die Kleinen Bagger sehen können. Wie wäre es mit einer Konfrontationstherapie gegen Stress? Eine Stunde in meinem Garten für nur 3,– Euro, ein echtes Schnäppchen 🙂
Und die Moral der Geschichte? Regt Euch am Besten über gar nichts auf, denn man weiß nie was folgt!
Eure Sylvia